Die da kommen [Rezension]

14 Jun

1 Buch - 2 Meinungen

Die da kommen

Autor: Liz Jensen
Titel: Die da kommen
Seitenzahl: 320
Verlag: DTV Premium
Veröffentlichung: Juni 2013

Zum Inhalt:

Ein siebenjähriges Mädchen tötet seine Großmutter auf brutale Weise. Ein tragischer Einzelfall, sagen die Experten. Doch sie täuschen sich. Überall auf der Welt kommt es zu grausamen Gewalttaten, die Kinder gegen ihre Familien verüben.

Der Anthropologe Hesketh Lock hat zunächst ein ganz anderes Rätsel aufzuklären. Hesketh ist ein »Troubleshooter«: weltweit wird er zur Aufklärung interner Skandale in globalen Unternehmen eingesetzt. Sein aktueller Fall führt ihn nach Taiwan. Hesketh entdeckt als Erster ein Muster in den sich häufenden Fällen von schwerer Industriesabotage und den Attacken von Kindern gegen Erwachsene, die wie zwei Epidemien den ganzen Erdball erfassen. Wer sind die geheimnisvollen »sie«, von denen immer wieder die Rede ist? Sind »sie« die treibende Kraft hinter den dramatischen Ereignissen?

SaCre:

„Männer greifen Institutionen an, die sie lieben.
Kinder wenden sich gegen ihre Familien.
Zwei überlappende Kreise, deren Schnittmenge irrationale Gewalt bildet.“
(Seite 98)

Hm, was schreibe ich bloß zu diesem Buch? Ich habe versucht, mir Notizen zu den positiven Punkten zu machen. Leider ist dieses Blatt leer. Von Anfang an hat die Geschichte mich nicht begeistern können. Der Einstieg dauerte für mich viel zu lange. Es geschah kurz was, und dann für lange Zeit wieder nichts. Doch: Hesketh faltete im Geiste eine Origami-Figur nach der anderen. Sein eigentlicher Beruf: Ermittler mit Schwerpunkt auf Verhaltensmuster.

Dabei legt auch er einige sonderbare Verhalten an sich: neben den Origami-Faltereien wiegt er in Streß-Situationen seinen Körper hin und her. Und nicht zu vergessen: jede Farbe wird genau definiert. Beispiele:
1. „… eine Frau im roten Mantel – ein Farbton, den die Firma Dulux 1984 Nelke nannte…“ (Seite 105)
2. „… in hellen Farben. Jadenebel und Meeresbrandung, Sanderson 1993.“ (Seite 176)
Seine Obsession für die Farbbestimmung und die Origamis waren mir ein bisschen zu viel des Guten.

„Der Mond ist ein dünner, leuchtender Kratzer am Himmel, die Sterne pulsieren schwach über dem Meer. Ich schalte den Computer aus und drehe mich mit dem Stuhl rhythmisch hin und her. Ich höre die Möwen schreien. Ist ein menschlicher Hamburger ein Nahrungsmittel, nach dem sich ein Hungergeist sehnen würde?“
(Seite 63)

Zwischen dem Fortschreiten des Haupthandlungsstrangs – die verstörenden Selbstmorde der Erwachsenen und die grausamen Morde der Kinder – gab es immer wieder langatmige Abhandlungen wissenschaftlicher Dinge, oder Handlungen von Personen, die für mich leider überhaupt nicht spannend waren.

Zum Thema Spannung: der Grundgedanke für die Geschichte ist super. Ein total interessanter Stoff. Meiner Meinung nach aber alles andere als spannungsreich umgesetzt. Ganz im Gegenteil. Ich las die Geschehen so vor mich hin. Ohne Gänsehaut. Ohne Herzklopfen. Ohne Anspannung. Es ist einfach so passiert und plätscherte so vor sich  hin.

Ab Seite 270 nahm die Geschichte an Fahrt auf. Wobei man das Tempo der Fahrt hier mit Fred Feuerstein in seinem mit den Füßen angetriebenen Mobil vergleichen kann.

Zwischendurch hatte ich auch immer wieder mal Probleme mit der Sprache. Ein Beispiel gefällig?
Nein. Wir sagen ihm, dass einer seiner Mitarbeiter durch irgendetwas in eine frühere Phase regrediert ist und dabei auf negative Kindheitsarchetypen zurückgegriffen hat und dass dieses Verhalten zu einem Phänomen von Massenhysterie gehört, das wir noch vollständig identifizieren müssen. Sunny Chen. Jonas Svensson. Das gleiche Muster. Um zu erklären, was sie während der dissoziativen Fugue getan haben, beschwören sie Manifestationen indigener Glaubenssysteme herauf. Bei Chen waren es die Ahnen. Bei Svensson die Trolle. Bei Farooq prophezeie ich die Dschinns.“ (Seite 107)
Ein Glück, dass ich mich mit Fantasy auskenne! So brauche ich in diesem Absatz nicht alles zu googlen…

Hach, das Buch versprach mir so viel. Das Thema finde ich total interessant. Leider konnte es meine Erwartungen gar nicht erfüllen. Schade. Ein Thriller ohne Spannung. Ich musste mich echt durch das Buch quälen und war mehrmals kurz davor, abzubrechen.

PS: Nachdem ich nun SaFis Part der Rezension gelesen habe muss ich gestehen, dass die Sache mit dem Asperger-Syndrom irgendwo völlig an mir vorbei gegangen ist. Das war wohl leider einer von so einigen Fakten, den ich gelesen, aber leider nicht wahrgenommen habe.

1 Herz

SaFi:

„Ein seltsamer Vorfall ist eine Sache. Zwei sind der Anfang eines Venn-Diagramms.“
(Seite 71)

Aufgrund von Klappentext und Cover habe ich mich auf die Schilderung von vielen schrecklichen Mordszenarien, die von Kindern verübt werden, gefreut. (Hört sich vielleicht komisch an, ist aber so. Denn ich lese sehr gerne blutrünstige Thriller. ;)) Meine Erwartungen wurden dahingehend leider nicht komplett erfüllt. Trotzdem hat mir dieser Thriller der etwas anderen Art doch ganz gut gefallen und irgendwie fasziniert.

Zum einen lag das an Hesketh Lock. Wobei fasziniert in Zusammenhang mit ihm jetzt nicht hingerissen bedeuten soll. Ich fand seine Person einfach sehr interessant, und angesichts des Asperger-Syndroms an dem leidet, auch sehr realistisch dargestellt. Einfach nachzuvollziehen waren seine Gedanken, gerade wenn um das Zwischenmenschliche ging, nicht. Aber irgendwas hat er in mir berührt. Vor allem dann, wenn er immer wieder vor seinem inneren Auge Origamis faltet, weil er nicht weiß, wie sich anderen gegenüber in bestimmten Situation verhalten soll, bzw. welches Verhalten von ihm erwartet wird.

Auch die Geschichte an sich hat mich fasziniert, in ihren Bann gezogen. Während des Lesens habe ich mich allerdings öfters gefragt, warum das so ist. Denn Spannung, die den Puls beschleunigt, oder Nervenkitzel, der zum Nägelkauen verführt, habe ich nicht ausmachen können. Zumindest nicht klar und deutlich. Für mich waren Spannung, Nervenkitzel und Thrill eher unterschwellig. Das alles fand während des Lesens in meinem Innern statt. Falls das die Absicht der Autorin gewesen sein sollte, kann ich nur sagen, dass das bei mir hervorragend geklappt hat.

„Ich erkenne ein Muster, Mr Jan de Vries.
Das Problem ist nur, es ist so bizarr, dass er für einen logischen, rational und wissenschaftlich denkenden Verstand keinen Sinn ergibt. Schon gar nicht für meinen.“
(Seite 118)

Der Storyverlauf hat mir anfangs ein wenig zu schaffen gemacht. Hesketh, der Ich-Erzähler dieser Geschichte, wechselt immer wieder zwischen verschiedenen Ereignissen hin und her. Dabei geht es in der ersten Hälfte des Buches mehr um ihn selbst und um die diversen Saboteure, die Hesketh befragen soll, und nur am Rande, z. B. in den Nachrichten, um die mordenden Kinder. Später spielen die Kinder dann eine größere Rolle. Nach und nach kam ich mit seinen Schilderungen aber ganz gut zurecht und konnte ihm besser folgen. Dazu trug auch der nüchterne Schreibstil von Liz Jensen bei. Lediglich das Ende war nicht so richtig schlüssig und einleuchtend für mich.

In diesem Buch gibt es vieles, was ich so nicht erwartet hatte (Physik und andere Themen), und einiges, was ich mir erhofft, aber nicht vorgefunden habe. Und es fällt mir nicht leicht, es zu beschreiben und einzuordnen. Denn so ein Buch habe ich noch nie gelesen. Diese Aussage soll aber keine Bewertung sein, lediglich eine Tatsache.

Wer dieses Buch mit ähnlichen Erwartungen wie ich in die Hände nimmt, könnte sicherlich enttäuscht werden. Ich ließ mich, nach anfänglicher Skepsis, auf die Geschichte ein, bekam einen ungewöhnlichen, interessanten Thriller zu lesen, und wurde nicht gänzlich enttäuscht.

„Als wir näher kommen, schauen uns einige Kinder kurz an, bevor sie sich wieder ihren Aktivitäten zuwenden, so wie es grasende Kühe tun, wenn jemand die Weide betritt. Sie sind in das Sammeln von Nahrung vertieft und zeigen weder Angst noch Interesse. Es sind nicht mehr als zehn Grad, aber sie scheinen die Kälte nicht zu spüren. Dann und wann beginnt ein Kind zu summen, man hört vereinzelte Schreie oder Grunzlaute, doch ansonsten ist es eine stille Gruppe. Sie wirken friedlich und einträchtig. Sie als >>glücklich<< oder >>zufrieden<< zu beschreiben, ginge wohl zu weit. Aber sie vermitteln einen Eindruck von Unschuld. Keine kindliche Unschuld, sondern die Unschuld wilder Tiere.“
(Seite 252/253)

4 Herzen

2 Antworten to “Die da kommen [Rezension]”

  1. Kerstin 14. Juni 2013 um 09:38 #

    Klasse, hier sieht man deutlich, wie verschieden Geschmäcker sind😉
    Eine wirklich tolle Idee!

    Gefällt mir

    • bookwives 14. Juni 2013 um 09:48 #

      Ja, das fanden wir auch sehr deutlich bei diesem Buch!

      Gefällt mir

Kommentare? Immer her damit! :-)

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