[Rezension] Renate Hoffmann | Anne Freytag

29 Apr

Titel: Renate Hoffmann
Autor: Anne Freytag
Seitenzahl: 288 Seiten
Verlag: freytag Literatur
ISBN: 978-1-484-09720-5
Veröffentlichung: 19. September 2013
Leseprobe

“Frau Hoffmann beschließt zu sterben. Doch auch das will gut organisiert sein.” (Buchrücken)

Zum Inhalt:

Frau Hoffmann hat sich entschieden. Sie wird sich von ihrem Balkon in den Tod stürzen. Gründe dafür gibt es genug. Aber leider kommt ihr immer wieder etwas dazwischen. Sei es ihre neue Vorgesetzte, Herberts Briefe oder die Erkenntnis, dass sie noch nie masturbiert hat.
Renate Hoffmann hatte nicht immer sterben wollen. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der sie nicht nur am Leben, sondern tatsächlich lebendig gewesen war. Sieben Jahre zuvor schien das Leben noch voller Möglichkeiten. Bis zu jenem verhangenen Tag im November … (© Anne Freytag)

Meine Meinung:

Schon nach wenigen Seiten wird klar: Frau Hoffmann ist anders. Anders im Sinne von speziell. Speziell im Sinne von lethargisch, introvertiert, verunsichert, einzelgängerisch, penibel, kummervoll und des Lebens müde … Daneben zeichnet sie sich jedoch auch noch durch eine auf den Leib geschriebene Liebenswürdigkeit aus, die direkt auf mich übergesprungen ist. Kurzum: Ich mochte Frau Hoffmann von Anfang an. Mit jeder einzelnen Facetten ihres Wesens.

“Als sie gerade versuchte, auf das vom Regen feuchte Geländer zu klettern, um ihrem Leben ein Ende zu machen, fragte sie sich, ob sie es womöglich bereuen könnte, nicht mehr am Leben zu sein. Und in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie das gar nicht beurteilen konnte, weil sie die meisten Dinge, die die meisten Menschen als normal empfanden, nicht getan hatte.” (Seite 10)

Da Frau Hoffmann ziemlich schnell bewusst wird, dass sie nicht mal einfach so vom Balkon springen kann, gibt es viel Platz und Zeit für die Entwicklung der Frau Hoffmann. Und diese Entwicklung hat Anne Freytag gut nachvollziehbar zu Papier gebracht. Und mit Frau Hoffmann entwickelt sich peu à peu auch der Ton der Geschichte. Von traurig hin zu vorsichtig hoffnungsvoll. Ich für meinen Teil wünschte mir zumindest mir die ganze Zeit über, dass aus Frau Hoffmann eines Tages wieder Renate wird. Dass die harte Frau Hoffmann sich ein wenig zurückzieht, damit die sanfte Renate wieder ihr Leben genießen kann.

Trotz, oder gerade wegen der teils merkwürdigen Verhaltensweisen, die Frau Hoffmann an den Tag legt, merkte ich mit der Zeit, dass ich Frau Hoffmann verstehen kann. Ich wusste zwar noch nicht wirklich, was an jenem Novembertag vor sieben Jahren wirklich geschehen ist, doch ich hatte so eine leise Ahnung. Es gibt nicht vieles, was eine einst lebensfrohe Frau wie Renate dazu veranlassen könnte, sich in Frau Hoffmann und damit in das genaue Gegenteil zu verwandeln.

Ich konnte, nachdem mir das ganze und vor allem tragische Ausmaß bekannt war, nicht anders, als mich immer wieder zu fragen, wie es mir ergehen würde, hieße ich Renate Hoffmann und hätte erlebt, was sie erleben musste. Eine klare Antwort konnte ich darauf nicht finden. Frau Hoffmanns Variante scheint aber nicht die abwegigste zu sein. Es gibt schreckliche Erlebnisse, die einem durchaus den Boden unter den Füßen wegreißen können. Wenn man dann nicht die Kraft hat, sich seinem Kummer zu stellen, wenn man daran zu zerbrechen droht, legt man den Schalter der Selbsterhaltung um und aktiviert seinen Selbstschutz. Eine so extreme Entwicklung wie bei Frau Hoffmann ist sicherlich nicht alltäglich, aber durchaus möglich, wie ich finde. Menschen, die sich vom Balkon stürzen gibt es ja nun mal nicht nur im Buch…

“Denn auch wenn man es nicht sehen konnte, weil sie atmete und sich bewegte, so war Renate an diesem eisigen Novembertag gestorben und Frau Hoffmann wurde geboren. Sie würde leben, jedoch ohne lebendig zu sein.” (Seite 244)

Stilistisch ist Anne Freytag für mich ganz weit vorne. Mit ihrer Kombination aus ernstem Thema und einer immer passenden Portion Humor hat sie sich ganz ohne Schnörkel direkt in mein Leserherz geschrieben. Ich habe die Zeit mit Frau Hoffmann in vollen Zügen genossen. Auch, wenn es in Frau Hoffmanns Leben nicht viel zu genießen gibt. Ich war einfach gerne an ihrer Seite, habe mit ihr vom Balkon runtergeschaut und durch das Fernglas die Nachbarn beobachtet.

Ein Buch so zart und gleichzeitig so hart. Für mich war “Renate Hoffmann” das erste Buch von Anne Freytag. Das letzte war es aber in keinem Fall. Meine ganz persönliche Botschaft des Buches lautet: Das Leben ist schön. Du musst es bloß erkennen.

5SaFi

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  1. Wall of Fame | April 2014 | Bookwives - 3. Mai 2014

    […] Renate Hoffmann | Anne Freytag […]

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  2. Im Gespräch mit… Anne Freytag | Bookwives - 11. Mai 2014

    […] heute recht kurz sind. Wie gut, dass SaFi vor ein paar Wochen Renate Hoffmann gelesen hat (hier geht es zur Rezi), denn dadurch hat sich ein total netter Kontakt mit der Autorin Anne Freytag […]

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