[Rezension] Ab morgen ein Leben lang | Gregory Sherl

7 Aug

Ab morgen ein Leben lang

Titel: Ab morgen ein Leben lang 
Autor: Gregory Sherl
Seitenzahl: 400Seiten
Verlag: DuMont
Genre: Roman
ISBN: 978-3-8321-9746-9
Veröffentlichung: 03. April 2014
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Zum Inhalt:

Evelyn Shriner arbeitet in einer Bibliothek und ist begeisterte Anhängerin von Vergegenwärtigungen. In der Praxis des Futuristen Dr. Chin lässt sie sich regelmäßig mithilfe einer Vergegenwärtigungsapparatur ihre romantische Zukunft mit jedem Mann, der ihr einfällt, zeigen und hofft, so die große Liebe zu finden. Doch der Richtige scheint bislang nicht dabei zu sein und auch die Zukunft mit ihrem aktuellen Freund Adrian ist nicht die, die Evelyn sich wünscht.
Godfrey Burkes arbeitet in einem Fundbüro und hält Futuristen und Vergegenwärtigungen für Quatsch. Doch seine Freundin Madge besteht nach seinem Heiratsantrag darauf, dass die beiden sich in unterschiedlichen Praxen ihre gemeinsame Zukunft vergegenwärtigen lassen, bevor sie Ja sagt.
Was weder Evelyn noch Godfrey bewusst ist, als sie sich in der Warteschlange bei Dr. Chin kennen lernen: In Fällen von wahrer Liebe kann es zu Systemfehlern kommen.

Meine Meinung:

»Dr. Chin präsentiert: Die Zukunft für Weitsichtige.« Und darunter steht: »Es ist leichter, sich für eine Zukunft zu entscheiden, wenn man die Optionen kennt.« (Seite 31/32)

Was im ersten Moment vielleicht furchtbar kitschig und absolut stereotyp zu sein scheint, entpupp sich recht schnell als eine Perle unter den Liebesgeschichten. Eine Liebesgeschichte ohne Kitsch, mit ernsten Untertönen und blumigen Gefühlen. Eine Geschichte aus dem Leben. Ein Leben, das wir alle führen könnten, wenn es diese Vergegenwärtigungsapparaturen wirklich geben würde.

Evelyn und Godfrey sind zwei echte Marken. Sie zeichnen sich durch ihre Eigenarten aus, sind wunderbar skurril und doch auf dem Boden geblieben. Und im Grunde wollen auch beide bloß das eine: die große Liebe finden und nie wieder los lassen. Die Nebendarsteller runden den bunten Charaktermix perfekt ab - allen voran Dot, Evelyns beste und kleptomanische Freundin. Und selbst die Figuren, die keinen richtigen Auftritt im Buch haben, sondern lediglich als Gedanken vorkommen, passen perfekt in die Geschichte.

„Hätte es Futuristen schon vor der Heirat meiner Eltern gegeben, hätten sie es sich womöglich anders überlegt. Und wäre meine Mutter durch eine Vergegenwärtigung vorgewarnt gewesen, dass Mart Thigpen ihr einen Braten in die Röhre schieben und sie sitzenlassen würde, dann gäbe es mich womöglich gar nicht. Vielleicht ist das einer der Hauptgründe, warum all das für mich keinen Sinn ergibt. Es rührt an meine Existenz und die zarte, zweifelhafte, hypothetische Existenz meiner Nachkommen.“ (Seite 62)

Gregory Sherl führt den Leser gekonnt durch seine Geschichte und hat seine Grundidee solide umgesetzt. Er überzeugt durch seinen tollen Schreibstil, der humorig, ernst, sarkastisch, liebevoll, rasant, verwirrend, erleuchtend ist. „Ab morgen ein Leben lang“ ist zwar nicht rasend spannend, aber zu jeder Zeit hoch interessant. Der Autor speist den Leser nämlich nicht bloß mit der ersten Begegnung von Evelyn und Godfrey und den daraus resultierenden Folgen ab. Es ziehen sich viele Fragen durch das Buch - manche offensichtlich, andere versteckt zwischen Zeilen, Taten und Gedanken. Kann man jemanden wirklich lieben, wenn man ihn nicht wirklich versteht? ist eine dieser Fragen. Auf diese und andere geht der Autor in seiner Geschichte ein. Auf die eine mehr, auf die andere weniger. Mal im großgesponnenen Bogen, mal in dem kleinen Kosmos des Einzelnen. Dabei verliert er seine Geschichte aber nie aus den Augen und kehrt immer wieder zum Geschehen zurück.

„Gibt es überhaupt gute Vergegenwärtigungen oder werden sie alle heimlich von der Pharmaindustrie gesponsert, um den Verkauf von Antidepressiva anzukurbeln?“ (Seite 198)

Die Idee der Vergegenwärtigungen finde ich ungemein interessant. Was wäre wohl in der Welt los, wenn sich jeder seine romantische Zukunft mit wem auch immer zeigen lassen könnte? Würden wir, weil wir unser Liebesleben ja quasi beliebig steuern könnten, überhaupt noch die große, wahre Liebe erkennen? Sie zulassen, ohne uns ständig zu fragen, wie es wohl wäre, wenn wir Mr./Mrs. X unser Herz geschenkt hätten und nicht der Person, mit der wir vielleicht gerade im Bett liegen oder in der Küche frühstücken?

Ich bin lange um „Ab morgen ein Leben lang“ drum rum geschlichen, konnte mich nicht wirklich entscheiden, ob ich das Buch lesen möchte. Jetzt hab ich es gelesen, ohne dass mir eine Vergegenwärtigungsapparatur bei der Entscheidung geholfen hat, und bereue nicht eine Seite. Gregory Sherl hat ein wunderbares Buch über den Sinn und auch den Unsinn der Liebe und all ihre Facetten geschrieben.

»Ob man glaubt, die Zukunft zu kennen oder nicht, es ist immer ein Sprung ins Ungewisse. Man muss dazu bereit sein.« (Seite 398)

5

SaFi

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