{Hörbuch-Rezension} Hotel Atlantique | Valerie Jakob

10 Jun

Autor: Valerie Jakob
Titel:
Hotel Atlantique
Gelesen von: Anne Moll (gekürzte Lesung)
Dauer: 6 Stunden 54 Minuten (6 CDs)
Verlag: DAV
Veröffentlichung: 5. Mai 2017
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Zum Inhalt:

Delphine Gueron war Kommissarin bei der Pariser Polizei. Nach ihrer Pensionierung ist sie zurückgekehrt in ihre alte Heimat, St. Julien de la mer in der Nähe von Biarritz. Hier trifft sie sich regelmäßig mit ihrer Freundin Aurélie im noblen Hôtel Atlantique zum Tee.
Eines Tages stürzt Aurélie in diesem Hotel vom Balkon und wird dabei tödlich verletzt. Die Polizei geht von einem Unfall aus, doch Delphine kommen Zweifel. Unterstüzt durch ihrem neuen Freund und von Karim, einem Jugendlichen mit Migrationshintergrund, der bei Delphine und Aurelie Aushilfsarbeiten übernimmt, beginnt sie eigene Nachforschungen.

 

Meine Meinung:

Es fällt mir schwer, diese Geschichte in eine Schublade zu stecken. Der Online-Händler mit dem großen A ordnet den Roman den Krimis, genauer den Cosy Crimes, zu. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig, denn einen großen Teil der Erzählung nehmen Inhalte ein, die ich eher der Gegenwartsliteratur zuschreiben würde.

Wer also einen reinen Krimi erwartet, liegt falsch. Vielmehr werden Geschehnisse der jüngeren und länger zurückliegenden Vergangenheit durchleuchtet. Nicht zuletzt spielen die Vorkommnisse in Aurelies Jugend rund um die Mutter von Richard Lebrun eine große Rolle.
Richard Lebrun ist Sohn einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters und war als solcher im Nachkriegsfrankreich geächtet. Seine Mutter hielt die andauernden Schikanen nicht mehr aus und nahm sich das Leben. Ein Vorfall, der Richards gesamtes Leben beeinflusst. Aurélie ist für Richard eine Mischung aus großer Schwester und Ziehmutter, so dass die damaligen Geschehnisse im Dunstkreis des Todes Aurélies wichtig werden. Auch andere Schatten der Vergangenheit reichen in die heutige Zeit hinein.

Sehr lange bewegt sich der Leser somit abseits der klassischen Krimipfade. Im Stile eines Gegenwartsromans lernt man das Leben von Aurélie und Richard kennen, während immer mehr aus der Vergangenheit der beiden Personen enthüllt wird.

Erst im letzten Drittel entwickelt sich die Geschichte zu einem echten Kriminalfall mit Nachforschungen, Überprüfungen, Polizeiarbeit und auch etwas Action.

Mir hat diese Mischung gut gefallen, auch und gerade die Passagen, in denen uns die Autorin in die Vergangenheit entführt, sind spannend erzählt.

Ich habe zur Vorbereitung dieser Rezension etwas getan, das ich für gewöhnlich aus offensichtlichen Gründen vermeide: Ich habe vor dem Abfassen dieses Textes andere Rezensionen gelesen. Es war in diesem Fall unvermeidbar, da ich in Erfahrung bringen musste, wie die französischen Namen der Figuren geschrieben werden (der Nachteil eines Hörbuchs – einfach abschreiben geht nicht).
Das bringt mich nun in die Situation Kritik aufgreifen zu können, die es an dem Buch gibt. Hier habe ich von der »Länge« des Buches gelesen, das streckenweise »langweilig« war. Diesen Vorwurf kann man dem Hörbuch nicht machen. Womöglich erweist es sich hier als Vorteil, dass es sich bei dem Hörbuch um eine gekürzte Fassung des Romans handelt. Wer immer es gekürzt hat, hat hervorragende Arbeit geleistet. Die Geschichte hat keinerlei Längen, ist immer auf Zug und andererseits habe ich nicht das Gefühl, das etwas fehlt.

Die Gegend um St. Julien wird lebendig geschildert. Ich bin literarisch derzeit häufig an der französischen Küste unterwegs und scheine überhaupt gerade eine Liebe zu Geschichten, die in Frankreich spielen, zu entwickeln. Auch hier habe ich sofort wieder ein Gefühl für die Gegend bekommen. Die regelmäßig eingestreuten französischen Worte oder Sätze unterstreichen dieses Flair. Mir kam beim Hören der Gedanke, ob es womöglich zu viel der Ausflüge ins Französische sind. Ich mag die Sprache und kann ausreichend Kenntnisse aus der Schulzeit zusammenkratzen, um alles zu verstehen.
Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass der des Französischen Unkundige beim Lesen oder Hören an einigen Stellen stockt, wenn Richard etwa verhöhnt wird, zeitlebens ein »fils de boche« gewesen zu sein (für meine französische Rechtschreibung übernehme ich übrigens keine Gewähr ;))

Gelesen wird das Hörbuch von Anne Moll – und das macht sie großartig.
Die letzten beiden Hörbücher in meinem CD Player haben mich streckenweise wegen fürchterlicher Intonation genervt. Hier habe ich endlich mal wieder einen Hörgenuss, vorgefunden, wie ich ihn mir wünsche.
Obwohl alles von einer einzigen Frau, eben Anne Moll, vorgelesen wird, schafft sie es, jeder Figur eine eigene unverwechselbare Stimme zu geben. Auch ohne ein »sagte Karim« und »entgegnete Delphine« wusste ich immer sofort, wer gerade redete.
Mehr noch: An einer Stelle gegen Ende äfft jemand Aurélie nach. Die Sprecherin schafft es, beide Stimmen so zu vermischen, dass selbst hier klar wird, dass dieser Mann gerade Aurelie imitiert.
Für die Art des Vortrags bekommt dieses Hörbuch höchstes Lob und die volle Punktzahl.
Aber auch die Geschichte konnte mich einfangen und mitreißen. Es ist keine nervenzerfetzende Handlung, doch angenehme Unterhaltung mit ansteigender Spannungskurve zum Ende.

 

Fazit:

Eine Mischung aus Gegenwartsroman und Cosy Crime, deren Vortrag perfekt ist.

Rana

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  1. Hôtel Atlantique von Valerie Jakob | Literaturrezensionen - 5. September 2017

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