Autor: Eoin McNamee
Titel: Requiem
Seitenzahl: 340
Verlag: DTV Premium
Zum Inhalt:
Robert McGladdery, der letzte Mann, der 1961 in Nordirland gehängt wurde, war angeklagt des Mordes an einer Neunzehnjährigen. Er beteuerte seine Unschuld, bis er überraschend, am Abend vor seiner Hinrichtung, ein Geständnis ablegte. Ein Geständnis, dessen Wahrhaftigkeit bis heute zweifelhaft ist. McNamee spürt einem Geschehen nach, das nie eindeutig geklärt wurde. Sein Interesse gilt ebenso der Aufdeckung eines spektakulären Justizirrtums wie der Anatomie einer Gesellschaft, die einen solchen Irrtum erst möglich macht. Halb Fallstudie, halb Fiktion, ist dies eine Expedition in ein menschliches und soziales Drama. Nordirland, ein dunkler Planet, Brachland einer verlorenen Gesellschaft, die dem Filz in Verwaltung, Justiz, Regierung und Klerus nichts entgegenzusetzen weiß.
Meine Meinung:
“Heute sah ich den Henker er kam zu meiner Zelle um meinen Nacken zu vermessen er war ein traurig ausschauender Faden von einem Kerl für einen der so viele gestreckt hat. Ich probierte ihn zum Reden zu bringen weil ich bin mir sicher er hat ein paar Geschichten auf Lager aber er hielt den Mund. Er legte das Maßband um meinen Nacken und wog mich und ich musste aufstehen damit er mich vermessen konnte und ich sage dass es fast so ausschaut als würde ich der Feuerwehr oder der Armee beitreten und er schaut mich an als würde er wissen welcher Armee ich beitreten werde der Armee im Schatten.” (Seite 322)
Robert McGladdery wird verurteilt, da er nach einem Tanzabend die damals 19-jährige Pearl Gamble ermordet haben soll. Es gibt keine eindeutigen Beweise, nur Indizien. Richter Curran führt den Vorsitz der Verhandlung. Doch man könnte ihm Befangenheit vorwerfen, da seine Tochter Jahre zuvor auf ähnliche Art und Weise des Lebens beraubt wurde. Die ganze Stadt scheint Robert zu verdächtigen. Er kommt aus zerrütteten Verhältnissen und mit seiner Mutter verbindet ihn eher eine Hassliebe. Der einzige, der unvoreingenommen an den Fall heran geht, ist Eddie McCrink. Er wurde von London nach Newry versetzt. Doch leider hat er keine Chance, sich gegen die Ortsansässigen durchzusetzen. Robert beteuert die ganze Zeit seine Unschuld. Es nützt nichts. Er ist der letzte Mann, der 1961 in Nordirland gehängt wurde. Nach seinem Tod wird sein angebliches Geständnis - aufgenommen am Abend vor seiner Hinrichtung - veröffentlicht.
Der Autor nimmt sich hier einen Fall aus dem wahren Leben vor. Ein Mädchen wurde ermordet und es scheint, als würde eine ganze Stadt auf Rache sinnen. Jeder will, dass der Mörder gefunden wird. Man hat sich sofort auf Robert als Schuldigen “geeinigt” und er hat von vorneherein gar keine Chance. Richter Curran, dem man aufgrund seiner Vergangenheit Befangenheit vorwerfen muss, darf diesen Prozess führen. Die Stimmung unter den Einwohnern ist düster. Die Beschreibungen und die Sprache, die der Autor benutzt, sind dunkel, schwer und trist.
“Die anderen Mädchen wurden dann jeweils still. Robert mochte reden, aber ihre Geschichten wurden von anderen geschrieben. In den Erzählungen der jeweils anderen erkannten sie an sich selbst die Wegzeichen billiger Existenzen. Die falschen Männer. Die unbezahlten Zimmermieten und Abtreibungen in Hinterhöfen. Sie zeigten Robert, wie man einen blauen Fleck oder eine Schnittwunde mit Gesichtspuder abdeckte, wie man ein blaues Auge mit einer medizinischen Augenklappe verbarg, damit es aussah, als sei man beim Arzt gewesen. Sie waren wegen Kuppelei und Ladendiebstahl verurteilt. Sie waren auf eine Art unzuverlässig, diebisch und arglistig, die sich Robert noch nicht einmal vorstellen konnte.” (Seite 130)
Dieses Buch ist kein klassischer Krimi. Von vorneherein weiß man, wie es ausgeht. Der Autor zeigt hier vielmehr auf, welchen Einfluss Politik und Machtgerangel auf einen solchen Fall haben. Man erfährt viel über die einzelnen Charaktere und bekommt so ein gutes Bild der damaligen Gesellschaft. Vorurteile galten, Zeugen wurden beeinflusst.
Die Leseprobe hierzu hatte mir sehr gut gefallen. Doch beim Buch tat ich mich anfangs wirklich schwer. Es war nicht so einfach für mich, hier einen Zugang zu finden. Doch dies kam mit Fortschreiten des Buches. Alles in Allem ein solides Buch über Recht und Unrecht in schwierigen Zeiten.
SaCre